Die Frage ist weniger was hat den Körper krank gemacht als weshalb konnte die Gesundheit nicht erhalten werden. Ein Osteopath hilft dem Körper dort, wo die schöpferischen Kräfte der Natur vorübergehend mit der Gesunderhaltung anstehen, sei es wegen eines Traumas, Überbelastung oder wegen reduzierten Ressourcen.
Ein Grundsatz der Osteopathie besagt, dass die Form die Funktion bedingt und somit auch erklärt. Ein Fahrrad verdankt seine Form der Funktion, für welche es gedacht ist. So trivial es tönen mag, wäre es zum Wasserschöpfen gedacht, hätte es die Form eines Gefässes und umgekehrt. In beiden Fällen – Fahrrad und Gefäss – wird klar, dass wenn immer eine Form zu sehr vom ursprünglichen Plan abweicht, auch die Funktion nicht mehr voll gewährleistet ist. Dies gilt für alle physischen Erscheinungen, auch für den menschlichen Organismus. Und zwar bis ins kleinste Detail. Die Form wird fortwährend vom lebendigen Körper gepflegt – sie wird erhalten und wiederaufgebaut. Was einst generiert – also gebildet – wurde, wird so lange es lebt fortwährend re-generiert.
Wird die Herausforderung nach einem Ereignis (z.B. einem Unfall) zu gross für den Organismus und seine inneren Kräfte, kann ein Osteopath mit sensiblen und geübten Händen diesem Prozess unter die Arme greifen und ihn unterstützen. Dies geschieht in der traditionellen Osteopathie immer im Einklang, mit den ertastbaren Bestrebungen des Körpers.
Die Osteopathie ist also eine manuelle Medizin, die alle Gewebe und somit auch alle möglichen Dysbalancen des Organismus von der materialistischen, mechanistischen Seite her angeht, jedoch stets in Kontakt beleibt, mit dem Lebendigen, Sinnlichen, das darin agiert und sich ausdrückt.
Osteopathie ist ein bisschen wie Töpfern. Der Osteopath nutzt das Drehmoment der rotierenden Drehscheibe – die «innere Absicht» des sich selbst töpfernden Körper – und agiert mit seinen Händen so, dass sich das verzogene Gefäss wieder in Richtung des ursprünglichen Planes zurückverformen kann.
Dies führt uns zu einem weiteren Grundsatz der Osteopathie, dass besagt, der Körper tendiere stets in seine Normalität – ganz analog zu den physikalischen Gesetzten für elastische Körper. Auch da ist unser Alltag voller vertrauter Beispiele: wenn sie morgens ihr Duvet schütteln, wissen sie genau, dass ihre gerichtete, aber doch recht unspezifische Kraft durch das Duvet hindurch, es dazu veranlassen wird, in seine ureigene Form zurückzukehren.
So töpfert und bastelt der Osteopath mit, um in der Not, dem unentwegt wirkenden Wunderwerk der Schöpfung in seinem Streben nach mehr Ordnung untern die Arme zu greifen und zum Feinschliff zu verhelfen.